Eisernes Durch-haltevermögen im Härtetest
SetraWorld Magazin

Eisernes Durch-haltevermögen im Härtetest

Die neue MultiClass 500 in der Schlechtweg-Erprobung.

Oben ziehen Wolkenfetzen ihre Bahnen, unten rollt der Versuchsbus S 518 LE Runde um Runde über gnadenlose Pisten. Die Tarnfolie auf der Karosserie lässt die markanten Konturen des Setra verschwimmen.

Hinter der Verkleidung verbirgt sich der neue Low-Entry-Überlandbus Setra MultiClass S 518 LE. Die XXL-Variante der neuen Baureihe wird mit einer Schlechtweg-Erprobung auf Herz und Nieren geprüft. „Drei Achsen, drei Türen, vorn ein doppeltbreiter Einstieg – das bedeutet eine vergleichsweise hohe Beanspruchung der Fahrzeugstruktur“, erläutert Versuchsingenieur Thomas Kuhn.

Kuhn als Experten zu bezeichnen, ist fast schon eine Untertreibung. Der Maschinenbauer arbeitet seit 23 Jahren in der Festigkeitserprobung.

Eisernes Durchhaltevermögen im Härtetest.

Testobjekt: Der neue Low-Entry-Überlandbus Setra MultiClass S 518 LE bei der Schlechtweg-Erprobung.

Eisernes Durchhaltevermögen im Härtetest.

Schlagartiger Ermüdungsprozess: Ein Schlechtwegkilometer entspricht 100 echten Kilometern.

Eisernes Durchhaltevermögen im Härtetest.

Schlagartiger Ermüdungsprozess: Ein Schlechtwegkilometer entspricht 100 echten Kilometern.

Eisernes Durchhaltevermögen im Härtetest.

Schlechtweg: Der Name verspricht nichts Gutes für Mensch und Material.

Ort der Tortur ist die Schlechtwegstrecke des Entwicklungs- und Versuchszentrums (EVZ) von der Daimler Truck AG in Wörth, unweit von Karlsruhe. Hier werden die Omnibusse von morgen erbarmungslos durchgeschüttelt. Nichts wird dem Zufall überlassen. Die zahlreichen Fahrbahnen im EVZ repräsentieren typische Fahrbahnoberflächen, die eine besonders schädigende Wirkung auf die Fahrzeugstruktur haben, wie Kopfsteinpflaster, Querrillen und Schlaglöcher. Das zuständige Versuchsteam von Daimler Buses hat für die Erprobung ganz bestimmte Bahnen zu einer Schlechtwegrunde zusammengestellt.

Die Kombination der Bahnen leitet sich aus typischen Einsätzen bei Busunternehmen ab. Zu diesem Zweck hat die Versuchsmannschaft zuvor die Beanspruchung der Omnibusse auf verschiedenen Strecken in ganz Europa überprüft.

Zusätzlich werden in regelmäßigen Abständen sogenannte Sondermanöver gefahren. Zum Beispiel schnelle Fahrbahnwechsel wie bei einem Ausweichmanöver oder Vollbremsungen aus unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Alles Manöver, die Omnibusse in ihrem Fahrzeugleben aushalten müssen. Und die eine Setra MultiClass 500 auch aushalten wird.

Am Lenkrad hat Holger Heidler Platz genommen. Der gelernte Konstruktionsmechaniker bringt ebenfalls zwei Dutzend Jahre Erfahrung in der Festigkeitserprobung mit. Heidlers Hauptjob ist die Vorbereitung der Erprobungsfahrzeuge. Wie Kuhn mag er seinen Job: „Das ist mega-abwechslungsreich. Wir beschäftigen uns mit allem, was man anfassen kann – Gerippe, Motor, Fahrwerk.“ Und: „Alle Produkte waren zuvor bei uns, bevor sie auf den Markt kommen.“ Ob Setra Doppelstockbus, Hochdecker oder jetzt der Low Entry.

Eisernes Durchhaltevermögen im Härtetest.

Dieser Test hat Gewicht: Angeschnallte Wasserfässer und Ballastsäcke mit Bleischrot im Mittelgang simulieren einen mehr als vollbesetzten Bus.

Eisernes Durchhaltevermögen im Härtetest.

Dieser Test hat Gewicht: Angeschnallte Wasserfässer und Ballastsäcke mit Bleischrot im Mittelgang simulieren einen mehr als vollbesetzten Bus.

Eisernes Durchhaltevermögen im Härtetest.

Dieser Test hat Gewicht: Angeschnallte Wasserfässer und Ballastsäcke mit Bleischrot im Mittelgang simulieren einen mehr als vollbesetzten Bus.

Eisernes Durchhaltevermögen im Härtetest.

Dieser Test hat Gewicht: Angeschnallte Wasserfässer und Ballastsäcke mit Bleischrot im Mittelgang simulieren einen mehr als vollbesetzten Bus.

Im Moment steuert Heidler die MultiClass 500 zügig über die Bahn 5, eine schwere Schlaglochstrecke. Schlimmer geht nimmer? Von wegen: Nebenan wartet schon Bahn 6. Sie ist mit 70 Millimeter hohen Hindernissen im Fischgrätmuster regelrecht brutal. Sie wird mit Tempo 10 km/h gefahren, mehr würden weder Mensch noch Material aushalten.

Das Programm für den Schlechtwegtest ist sorgsam zusammengestellt. „Wir fahren leer, teilbeladen, beladen und sogar überladen“, erklärt Thomas Kuhn. Ein echter Härtetest. Angeschnallte Wasserfässer auf den Sitzen und eine Unmenge Ballastsäcke mit Bleischrot im Mittelgang simulieren einen mehr als vollbesetzten Bus.

Eisernes Durchhaltevermögen im Härtetest.

Raues Terrain: Die zahlreichen Fahrbahnen der Teststrecke repräsentieren Fahrbahnoberflächen, die eine besonders schädigende Wirkung auf die Fahrzeugstruktur haben.

Eisernes Durchhaltevermögen im Härtetest.

Raues Terrain: Die zahlreichen Fahrbahnen der Teststrecke repräsentieren Fahrbahnoberflächen, die eine besonders schädigende Wirkung auf die Fahrzeugstruktur haben.

Eisernes Durchhaltevermögen im Härtetest.

Raues Terrain: Die zahlreichen Fahrbahnen der Teststrecke repräsentieren Fahrbahnoberflächen, die eine besonders schädigende Wirkung auf die Fahrzeugstruktur haben.

Der Versuchsbus ist weiß lackiert und fährt ohne Unterbodenschutz, innen fehlen Verkleidungen und Isolierungen. Das erleichtert die Inspektion der Tragstruktur. Auffälligkeiten können so schnell erkannt werden, zum Beispiel an den Schweißnähten. Kuhn: „Besonderes Augenmerk richten wir auf die Seitenwandsäulen und den Unterbau im Achsbereich. Dort treten hohe Belastungen auf.“

Erprobungsziel ist, die Ermüdung der Karosseriestruktur während eines Fahrzeuglebens zu simulieren. Da nur auf „schlechten Wegen“ gefahren wird, kann eine ca. 100-fache Raffung erreicht werden. Das heißt, ein Schlechtwegkilometer entspricht 100 echten Kilometern.

Eisernes Durchhaltevermögen im Härtetest.

Von unten sieht man besser: Der Versuchsbus fährt ohne Unterbodenschutz, das erleichtert die Inspektion der Tragstruktur.

Eisernes Durchhaltevermögen im Härtetest.

Von unten sieht man besser: Der Versuchsbus fährt ohne Unterbodenschutz, das erleichtert die Inspektion der Tragstruktur.

Eisernes Durchhaltevermögen im Härtetest.

Knochenjob: Das anspruchsvolle Programm schüttelt nicht nur den Bus, sondern auch die Fahrer heftig durch.

Durch die Fahrten auf den Schlechtwegstrecken werden die Stoßdämpfer einer extrem hohen Belastung ausgesetzt. Deswegen wird eine spezielle Stoßdämpferkühlung im Fahrzeug eingebaut. Die Fahrer wechseln während des gesamten Testzeitraums mehrmals. Denn das anspruchsvolle Programm schüttelt nicht nur das Material, sondern auch die Menschen heftig durch. Mehr als eine Stunde am Stück hinter dem Steuer ist auf dieser Strecke unzumutbar. Das bedeutet also Fahrerwechsel und eine Stunde Pause. „Man benötigt eine gute körperliche und geistige Konstitution,“ bestätigt Thomas Kuhn.

Auf Versuchsgeländen gelten besondere Regeln. Für eine Fahrberechtigung auf dem Gelände des EVZ ist eine gründliche theoretische und praktische Einweisung notwendig. Denn jede Erprobungsrunde setzt sich aus verschiedenen Bahnen zusammen. Die Fahrer müssen beim Wechsel der Bahnen extrem aufmerksam sein und dabei auf andere Testfahrzeuge achten. Ein Leitstand überwacht den Verkehr. Im Cockpit verfolgt der Fahrer auf einem Monitor präzise das vorgegebene Fahrprogramm, das sowohl die vorgegebene Bahn als auch die Sollgeschwindigkeit anzeigt. Gefahren wird auf 1 km/h genau, unterstützt vom Tempomat.

Die Schlechtweg-Erprobung kann bis zu einem Jahr dauern. Jeweils nach einem und zwei Dritteln der Gesamtstrecke rollt der Bus zurück in den Versuchsbereich von Daimler Buses nach Neu-Ulm. Dort wird der gesamte Rohbau gründlich unter die Lupe genommen. Um ihn freizulegen, werden zahlreiche Fahrzeugkomponenten wie Triebwerk und Tanks demontiert und nach der Begutachtung wieder zusammengebaut. Zwischen diesen großen Durchsichten erfolgt jeweils eine kleine, weniger umfangreiche Durchsicht vor Ort im EVZ – das heißt Räder runter, Kontrolle von Unterbau und Aufbau.

„Nach erfolgreich absolvierter Schlechtweg-Erprobung wird eine Festigkeitsfreigabe erteilt“, so Thomas Kuhn. Er ist sicher: „Das ist ein richtig guter Bus.“ Auch Holger Heidler ist von der neuen MultiClass 500 überzeugt: „Das Auto fährt sich selbst auf den Schlechtwegbahnen gut.“ Und: „Es ist ein tolles Gefühl, wenn die Erprobung abgeschlossen ist und man hat einen guten Job gemacht.“

Bis zum Serienanlauf der neuen Setra MultiClass 500 hat der Versuchsbus noch einige Kilometer auf den Pisten des EVZ vor sich.

Eisernes Durchhaltevermögen im Härtetest.

Alles unter Kontrolle: Im Rahmen der Schlechtweg-Erprobung wird für die Festigkeitskontrollen sogar die komplette Einheit von Motor und Getriebe demontiert und im Anschluss wieder eingebaut.

Eisernes Durchhaltevermögen im Härtetest.

Alles unter Kontrolle: Im Rahmen der Schlechtweg-Erprobung wird für die Festigkeitskontrollen sogar die komplette Einheit von Motor und Getriebe demontiert und im Anschluss wieder eingebaut.

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Alles unter Kontrolle: Im Rahmen der Schlechtweg-Erprobung wird für die Festigkeitskontrollen sogar die komplette Einheit von Motor und Getriebe demontiert und im Anschluss wieder eingebaut.

Eisernes Durchhaltevermögen im Härtetest.

Scharfes Auge: Die Experten der Versuchsabteilung schauen bei den Zwischen- und Endkontrollen ganz genau hin.

Eisernes Durchhaltevermögen im Härtetest.

Alles erledigt: Farbige Markierungen belegen, dass die Fachleute die entsprechenden Stellen unter die Lupe genommen haben.